habe ich keine.
Ich habe an dem Tag überhaupt nichts mitbekommen, was anders gewesen wäre als in den Wochen zuvor: Demos, Proteste, Diskussionen.
Am nächsten Morgen in der Schule war Gesprächsthema Nr. 1: die Mauer ist offen. Wir können in den Westen. Wir dürfen uns die Visa abholen.
Genau das haben wir auch getan. Die Schlangen vor der Polizei waren enorm, aber das kannten wir ja schon. Nur dieses Mal könnte es vielleicht eines der letzten Male sein.
Um 16:00 Uhr schloss die Dienststelle. Nur eine bestimmte Zahl Menschen (sehr viele) durften noch rein, noch viel mehr Menschen warteten noch draußen und stellten sich genauso geduldig am nächsten Tag wieder an.
Genau vor mir sollte die Einlassgrenze sein. Aber da gab es einen netten Herren, der mich einfach als zu sich gehörend bezeichnete, und so durfte auch ich noch zu den Glücklichen gehören. Mit Stempeln in 3 Ausweisen (meine Eltern und ich) kam ich irgendwann wieder raus.
Bis wir unsere Visa aber das erste Mal wirklich genutzt haben, ist noch einige Zeit vergangen. Den Streß wollten wir uns dann doch nicht antun. Wir hatten ja nun genug Zeit.
Damals war ich gar nicht für diese Entwicklung, vor allem was die so schnell folgende Deutsche Einheit betraf. Natürlich wollte ich reisen und die vielen Annehmlichkeiten genießen, aber da wurden so viele Versprechen gemacht, die zu halten gar nicht möglich war.
Aber: ohne diese Entwicklung würde ich natürlich auch nicht da stehen, wo ich jetzt bin. Kein italienischer Mann, keine wundervollen Kinder, kein regelmäßiger Urlaub in meinem schon-immer-Lieblingsland Italien, kein Computer, kein Obst und Gemüse wie ich es will …
Deshalb freue auch ich mich jedes Jahr wieder über dieses historische Ereignis, auch wenn ich es nicht überschwänglich feiere.
Heute erzähle ich meinen Kindern, wie es früher war. Sehr vieles wissen sie schon, und immer noch mehr möchten sie wissen. Ein enormer Wissensvorsprung gegenüber den Gleichaltrigen hier, der sich hoffentlich irgendwann mal “auszahlen” wird.